Unsere Spuren liegen in den Daten

Die Oberstaatsanwältin Jana Ringwald ist Expertin für Cyber-Kriminalität. Sie war an Zugriffen im Darknet beteiligt und stellte Millionen in Kryptowährungen sicher. Im Interview spricht sie über die Hürden und Erfolge der modernen Strafverfolgung.

Jana Ringwald ist Oberstaatsanwältin und Expertin für Cyber-Kriminalität.

Sie war an Zugriffen im Darknet beteiligt und stellte Millionen in Kryptowährungen sicher. Neben ihrer juristischen Tätigkeit ist Ringwald auch als Kolumnistin tätig und eine gefragte Speakerin. Für ihre Leistungen im digitalen Bereich wurde sie 2023 von der Zeitschrift Emotion in der Kategorie „Frauen in Digitalisierung“ ausgezeichnet.

Frau Ringwald, wie wurden Sie zur Cyber-Staatsanwältin, gibt es einen bestimmten Karriereweg?

Den gab und gibt es auch heute nicht. Als Staatsanwältin oder auch Richterin ist man Generalistin. Wir werden ausgebildet, uns in absolut jedem Rechtsgebiet nach kurzer Einarbeitung zurechtzufinden und verantwortliche Entscheidungen zu treffen. Entscheidend ist der eigene Drive: Meine Kolleginnen und Kollegen und ich haben alle ein besonderes Interesse an Cyber-Crime und nahmen alle in Kauf, wieder von vorn anzufangen. Cyber-Crime ist so hochdynamisch, dass man sich ständig fortbilden muss.

Unternehmen, Institute und auch Krankenhäuser sind zur Zielscheibe von Cyber-Angriffen geworden. Wie können Unternehmen sich besser schützen?

Indem sie eine resiliente IT-Struktur betreiben. Cyber-Sicherheit ist komplex, aber eine Lebensversicherung für ein Unternehmen. Es braucht die Bereitschaft der Unternehmensführung, mit einem ernsten Angriff zu rechnen und darauf vorbereitet zu sein. Regelmäßige Back-ups sind dafür nicht genug. Die Landeskriminalämter helfen im Angriffsfall und beraten mit dem Bundeskriminalamt – Cybercrime-Competence-Center (c4).

Wie sollten Unternehmen im Falle eines Angriffs reagieren?

Mit einer schnellen Feststellung der betroffenen Systeme, deren Abtrennung vom Netz und der Verhinderung weiterer unautorisierter Zugriffe. Außerdem sind Meldepflichten zu prüfen. In vielen Fällen empfiehlt sich die Hinzuziehung eines rechtlichen Beistands, stets empfehle ich die Unterrichtung des Bundeskriminalamt – Cybercrime-Competence-Center (c4).

Sie schreiben, dass viele Unternehmen keine Strafanzeige erstatten, da sie einen Reputationsverlust fürchten. Haben wir ein Vertrauensproblem hinsichtlich der Behörden?

Nach meinem Eindruck schon. Was den Reputationsverlust angeht, so bestehen viele Urban Legends, also moderne Mythen, mit denen ich in meinem Buch aufräume. Wir gehen mit dem Angriff nicht in die Öffentlichkeit, denn wir ermitteln in einer Angriffsphase immer verdeckt. Unsere Spuren liegen in den Daten und können durch eine gute Kommunikation mit dem Unternehmen zeitsparend gewonnen werden. Außerdem machen wir die Erfahrung, dass Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden und Kunden über den Angriff aufklären, eher an Vertrauen gewinnen als verlieren.

Sie sagen, wir sollen Cyber-Crime als Lernkultur begreifen. Was genau meinen Sie damit?

Wir alle haben diese Art der Kriminalität mitproduziert. Wir sind bequem und oft nachlässig mit Sicherungsmaßnahmen. Einem Kind würden wir erklären, dass man sein Portemonnaie nicht achtlos in einem offenen Rucksack mit sich herumträgt. Im Netz sind wir nicht so sorgsam. Und Cyber-Kriminelle investieren viel, damit wir ihnen nicht auf die Schliche kommen. Mit anderen Worten: Cyber-Kriminelle nehmen ihre „Cyber-Sicherheit“ oft ernster als ihre Opfer.

Welcher Ihrer Cyber-Crime-Fälle ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

In meinem Buch erzähle ich von einem perfekten Fall: unserer Jagd auf die Betreiber von Wall Street Market, einem der weltweit umsatzstärksten Darknet-Marktplätze. Nicht nur haben wir alle drei deutschen Betreiber festnehmen können. Wir bekamen Zugriff auf ihre Kryptowährungsbestände in zweistelliger Millionenhöhe, nahmen die gesamte Infrastruktur vom Netz und brachten den digitalen Marktplatz in den Gerichtssaal. Es war einer unserer bisher größten Erfolge.

21.11.2024

Ihr Kontakt

Süleyman Yenier, BSc

Schattenwelten des Internets

In „Digital. Kriminell. Menschlich. Eine Cyber-Staatsanwältin ermittelt“ gewährt Jana Ringwald Einblicke in ihre Arbeit. Mit scharfem Blick durchleuchtet sie die Schattenwelten des Internets. Ringwald skizziert den Weg zu einer modernen, menschenorientierten Strafverfolgung, die den Ansprüchen des digitalen Zeitalters gewachsen ist.

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